Die dreiste Glosse< Zurück 31.05.2009
Von Thomas Haider
„ Låt den rätte komma in“ oder wie er hierzulande heißt „So finster die Nacht“ – ein parade Beispiel für die Kreativität der Filmtitelübersetzter, gibt es diesen Beruf überhaupt?
"Låt den rätte komma in“ oder wie er hierzulande heißt So finster die Nacht – ist ein schwedischer Film gedreht vom schwedischen Regisseur Tomas Alfredson nach John Ajvide Lindqvist’s gleichnamigen schwedischem Bestseller. Der Film lief voriges Jahr im Rahmen des Fantasy Filmfests als „Centerpiece“ - so etwas wie der Hauptfilm des Festivals, neben Eröffnungsfilm und Abschlussfilm – und gewann zahlreiche Awards rund um den Globus. Doch leider blieb den Österreichischen Filmfreunden der Genuss dieses doch außergewöhnlichen Machwerks bis vor kurzem verwehrt.
Vor allem bei Genrefilmen/Arthouse-Filmen haben wir oft das Nachsehen. Filme starten oft verspätet (The Descent – ca. 6 Monate nach Deutschlandstart) oder gar nicht in den Kinos (J.C.V.D.) – was meiner Meinung nach ärgerlich ist. Einige Monate später erscheint der Film dann auf DVD, man leiht ihn sich aus und zieht ihn sich rein. Doch, Moment. Nicht zusammenpassende Bilder, abgehackter Ton, Laufzeit ca. 70 min. Genau, der Film ist zerstückelt – sehr ärgerlich. Ich suche nach „uncut“ – Versionen im Netz. Gefunden. 30 Euro (Frontier(s)). Nein, danke – mehr als ärgerlich. Viel, viel später. Der Film ist kaum wiederzuerkennen. Es lebe das Fernsehen!!! Die Sprüche fehlen (Last Boy Scout), die Gewaltszenen fehlen (oft auch bei Spencer/Hill Filmen), ganze Handlungsstränge fehlen (Cinema Paradiso), das gesamte Ende fehlt (The Rock) – Verzweiflung. Schließlich bleibt einem oft nur die Möglichkeit des Importierens (ebenfalls teuer) oder des „Downloadens“ (Illegal!!! und oft beschissene Qualität).
Doch keine Sorge. Gott sei Dank ereilt So finster die Nacht ein nicht ganz so tragisches Schicksal. Der Film kommt in ungeschnittener Fassung Ende April in unsere Videotheken und - Surprise!!! - Anfang Mai startete er in den Österreichischen Kinos (Hmmm…sollte das nicht andersrum laufen?).
Oskar ist ein schüchterner, schwächlicher Junge, der von seinen Mitschülern gehänselt und geschlagen wird. Zuflucht und Liebe findet er bei Eli, einem (so scheint es) gleichaltrigen Mädchen, das neben ihm wohnt. Doch Eli umgibt ein dunkles Geheimnis und ihre Freundschaft wird schon bald auf die Probe gestellt.
Der Film bringt frischen Wind in den „Vampirfilm“- den man mittlerweile als Subgenre bezeichnen kann. Er hat kaum etwas gemein mit seinen Genre-Kollegen, bis auf ein paar klassische Vampirregeln, inklusive der Regel, welche im Originaltitel („Lass den richtigen rein“) angedeutet wird. Diese Bedeutung geht wie so oft in der deutschen „Übersetzung“ komplett verloren, doch ist es nicht ganz so schlimm wie etwa bei der von Pathos überschäumenden Übersetzung zu „Finding Neverland“ - „Wenn Träume fliegen lernen“, bei der der Hinweis auf Peter Pan völlig flöten geht, oder „Gone in 60 seconds“ - „Nur noch 60 Sekunden“. Hier wartete Ich den ganzen Film darauf bis es zu diesen letzten 60 Sekunden kommt, doch weit gefehlt. Der Originaltitel bezieht sich auf einen Hinweis in Parkgaragen etc. („lock your car or it will be Gone in 60 Seconds“). Macht Sinn. Einer geht noch, der bescheuertste von allen, Jack Ketchum’s The Girl Next Door, welcher hierzulande den Titel Evil trägt. Phänomenal. Ich gratuliere den dafür zuständigen Herren für diese blendende Unterhaltung, welche oft besser ist als der Film. Ebenfalls danke für die grandiosen Zusatztitel, wie etwa „Abgrund des Grauens“- The Descent. Bravissimo.
Ich bitte um Verzeihung für diese Abschweifung, ich ließ mich hinreißen. Zurück zu Låt den äh So finster die Nacht (gruseliger Titel). Wie schon gesagt, hat der Film seine Eigenheiten. Die kindlichen Hauptprotagonisten, Junge und Vampirmädchen, die allgegenwärtige Kälte und Gefühlskälte, welche den Kinosaal gefrieren lässt, so scheint es, und uns glauben macht, wir sehen den warmen Hauch unseres Atems. Diese außergewöhnliche Geschichte erzählt von zwei Außenseitern, die in dem um sie herrschenden Chaos zueinander finden.
Zentrale Fragen des Films sind „Wie viel kann Liebe verzeihen?“, „Wie lange kann Liebe existieren oder überleben?“, „Ist diese Liebe richtig oder falsch?“ Diese Fragen muss jeder für sich selbst beantworten, denn der Film hält sich größtenteils (genau hinsehen) zurück.
So finster die Nacht ist ein wirklich großartiger Film und zählt mit Sicherheit zu den Highlights 2008. Sowohl Genrefreunde als auch Feinde dürften an dem Film ihre Freude haben, da er eine herrliche Gratwanderung zwischen Vampirfilm und Drama, gewürzt mit lakonischem Humor, darstellt.
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Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!