Die dreiste Glosse< Zurück 16.02.2010
Von Max Werschitz
Ein sensationeller Fund in Buenos Aires machte es möglich: Bei der diesjährigen Berlinale wurde soeben Fritz Langs unsterbliches Filmmeisterwerk Metropolis zum ersten Mal seit 83 Jahren (beinahe) in der Originalfassung und -länge gezeigt.
Es begann in Berlin, und es endet in Berlin: Die Geschichte von Fritz Langs Metropolis, dem ersten Film der von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. 1927 lief die damals teuerste (und vielleicht auch heute noch visionärste) deutsche Kinoproduktion aller Zeiten in ihrer Originalfassung mehrere Monate im Ufa-Palast am Zoo, jedoch ohne kommerziellen Erfolg. Man entschied sich – nicht zuletzt unter dem Einfluss von zwei amerikanischen Studios, die über Umwege einen Großteil der Verwertungsrechte erstanden hatten – zur Herstellung einer gekürzten Fassung, deren Kopien sich bald in alle Welt, Winde und Versionen zerstreuen sollten. Das um gut 30 Minuten längere Original galt schon kurz danach als verschollen, und in den nächsten Jahrzehnten erlitten viele seiner verstümmelten Klone dasselbe Schicksal. Bereits in den 70ern und 80ern gab es dann den Versuch so viel brauchbares Material wie möglich aus den unterschiedlichsten Fundorten zu sammeln und den Film zu restaurieren, es dauerte jedoch bis 2001 bis schließlich die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung die erste brauchbare, tatsächlich fast originalgetreue Fassung präsentierte. Doch 2008 kam dann die Sensation: in einem Filmarchiv in Buenos Aires wurde eine vollständige Kopie von Langs Erstversion entdeckt und die bisher fehlenden Filmrollen an die Murnau-Stifung überstellt. 2 Jahre später feierte Metropolis nun erneut in Berlin so etwas wie eine zweite Welturaufführung: bis auf wenige Szenen, die aufgrund von beschädigtem Material nicht reintegriert werden konnten, erstrahlt die dystopische Geschichte einer zweigeteilten Stadt und Gesellschaft in neuem, jedoch wie damals beunruhigendem Licht.
Fritz Lang sagte 1969 in einem Interview "Ich finde dass Film eigentlich die Probleme der heutigen Zeit behandeln soll", und umso erschreckender ist wie aktuell der Stoff von Metropolis auch heute noch ist – als hätte das so lange verloren geglaubte Filmmaterial just während der Geburtswehen der jetzigen Wirtschaftskrise selbst ein Bedürfnis gehabt wieder aufzutauchen. Das in Metropolis vorherrschende, in bester Science Fiction-Methodik auf die konzeptuelle (und vor allem visuelle) Spitze getriebene Thema ist die Kluft zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Unternehmern und Lohnempfängern. Die monumentale Stadt, deren Look bis heute das Schaffen von Filmemachern beeinflusst, wird von zu Robotern degradierten unterirdischen Arbeitern am Leben erhalten, während hoch über ihnen die Elite ihrem Luxusleben frönt. Kommt uns irgendwie bekannt vor?
Aus Langs Perspektive war das was er da als dystopische Zukunftsvision auf die Leinwand bannte wohl eine verdichtete Metapher für die Ausläufer der welterschütternden Industriellen Revolution. Für viele Menschen im Jahr 2010 ist es jedoch Alltag. Nur schuftet sich der typische Vertreter des neuen Proletariats nicht mehr im Feuerschein molochartiger Stahlkolosse zum Hirntod, sondern in der sozialen Kälte von drei unterbezahlten Teilzeitjobs, vier Wucherzinskrediten und fünfhundert Fernsehprogrammen. Und die unverhohlene Autokratie des fiktionalen Metropolis ist in der heutigen Realität einer Plutokratie gewichen die sich beflissen den Anstrich einer repräsentativen Demokratie gibt.
Liebe Leute, Langs Zukunft ist da! Aber schließlich haben wir auch 83 Jahre fleißig daran gearbeitet.
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Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!