Review (ebenfalls dreist)< Zurück 23.02.2009
Von Nick Gruber
Spielmann packt das Nachkriegsösterreich dort an, wo es eigentlich weh tun sollte. Seit Kampusch und Amstetten müsste es nicht nur dem Rest der Welt, sondern auch uns selbst endlich klar sein: Wir sperren unsere Wünsche und Probleme gleichermaßen in den Keller. Alles ganz normal.
Die Geschichte, nur kurz angerissen. Alex (Johannes Krisch) sieht ein, dass sein Leben als Druckmacher und Handlanger unter Puff-Chef Konecny (Hanno Pöschl) keine Zukunft hat und beschließt etwas zu ändern. Seine aus Russland stammende Freundin Tamara (Irina Potapenko) hat Schulden und muss deshalb im selben Puff zahlungswillige Österreicher begatten. Der Chef ahnt nichts von dem Techtelmechtel und versucht Tamara das Edelhurengeschäft schmackthaft zu machen, indem er sie von einem gewaltbereiten Freund in seinem eigenen Billigpuff verprügeln lässt. Alex geht dazwischen und muss sich dafür auch entschuldigen. Er beschließt deshalb mit ihr abzuhauen, will jedoch vorher noch eine Bank ausrauben - kostet doch Freiheit in Österreich vor allem Geld. Tamara überredet Alex dazu sie im Fluchtauto mitzunehmen, obwohl sie dort nur ein Risiko darstellt. Während des Überfalls passiert es dann - der Polizeibeamte Robert (Andreas Lust) spricht die wartende Tamara an, Alex kehrt zurück, zwingt den Uninformierten sich auf den Boden zu legen, das Auto startet los, Robert hechtet auf, zieht sich seine Waffe, ziellt auf die Reifen und feuert. Tamara neigt sich im Auto leblos zur Seite...
Hans Dichand hat einmal einen nichtgenannten Feuilltonisten zitiert und gesagt, "die Österreicher sind ein Volk, das mit Zuversicht in die Vergangenheit schaut." Was Götz Spielmann mit Revanche geschaffen hat, ist ein gediegener Blick auf eben genau dieses verknöchterte Wesen und seine eigenartige Beharrlichkeit, wenn es gilt sozialevolutionären Stillstand rechtzufertigen. In Revanche sind die Vehikel dieser neuen Heimatfilm-Stimmung meist Themen wie Angst, Schuld, Sturheit, Tod, Moral, Kirche, Kausalität, Geheimnisse und dieses Instinkt-Gespür, das den Frauen gerne nachgesagt wird. Die Kirche nimmt einen subtilen Platz ein, wird aber von den Charakteren gerne eingesetzt um unmoralische Handlungen zu rationalisieren, eher als diese zu hinterfragen.
"Wer in die Stadt geht, wird entweder arrogant oder ein Lump!", sagt der alte Hausner über seinen Enkel Alex. "Er ist ein Lump worden." Wenn sich die Generationen treffen, dann prallen zwei österreichische Muster-Sturschädel aufeinander - jeder hat seine eigene Methode die Gesprächsrichtung zu monopolisieren:
Das Holz für den Winter soll ich dir machen.
Ist ein Wunder dass du mich überhaupt noch kennst.
Hör, du wolltest von mir nichts mehr von mir wissen.
Ja, weil du net einmal beim Begräbnis warst!
Ich war nicht da, weil ich net können hab...
Net einmal beim Begräbnis.
Ich war im Gefängnis. Da geht man nicht auf Begräbnisse.
Dann hättest halt net stehlen dürfen.
Ich hab heut net viel Zeit. Ich muss wieder in die Arbeit.
Du hast a Arbeit? Ja. Dann komm halt rein...
Ah, das war schon etwas besonderes. Der ganze Friedhof voller Leute. Und der Herr Pfarrer, der hat so schön gredt.
Ich müsste jetzt wieder fahren.
Ja sie war schon sehr beliebt.
Du wasst, ich habs ein bisserl eilig heut.
Sehr beliebt.
Regisseur Spielmann legt Alex wortkarg, minimalistisch aber doch emotionell an - eine schauspielerische Turnübung, die Johannes Krisch auch sehr subtil und glaubwürdig hinlegt. Denn man kann sehen, Alex gibt nicht viel auf die Kirche. Aber trotzdem stellt er sein Glas respektvoll aufs Jausenbrettl, wenn der Alte sein Gebet spricht.
Alex muss im Gegenzug auch seine Branche nicht nennen - alleine dass er hackelt, reicht für diesen Basisrespekt.
"Arbeiten kannst - das muss man dir lassen. Jetzt brauchst nur noch eine Frau. Ohne Frau wird man zum Spinner"
Glaubst du mit Holzhacken beeindruckt man die Frauen?
Die schauen schon ob einer arbeiten kann. Wird heut net anders sein.
Es scheint als hätte Götz Spielmann mit seiner Wahl der Motive und bzgl. der Alltagstauglichkeit der Dialoge in Ulrich Seidls Filmograhpie nachgesehen. Und doch lässt er dessen morbide Konsequenz beim visuellen Aufstapeln von Depression und Tristesse vermissen. Stattdessen packt er das an, was Seidl in seinen Filmen oft künstlich der Erhabenenheit beraubt - das Alltagsdrama. Geheimnisse, Betrug, Scheinheitligkeit.
Warum funktioniert diese Herangehensweise in Österreich so gut? Niemand sollte unsere Kompetenzen unterschätzen, vor allem wenn es darum geht die Pappm zu halten. Das zieht sich auch in Revanche vom Bankschalter bis zum Beichstuhl durch.
Der Film zeigt wie diese Geheimnisse benutzt werden, um Menschen zu manipulieren. Puffchef Kocnecny verwendet seine Art von Humor dazu seinen Kontrollwahn zu kaschieren. So fragt er Tamara fast höflich: "Könntest du mir einen blasen? Das würde mich sehr freuen" - als sie ansetzt, macht er einen Rückzieher: "Denkst du ich mach so etwas mit dir? War doch nur ein Spass. Für mich bist du keine Hure."
Nein, denn offenbar ist sie für ihn ein Hausviecherl das einen größeren Käfig bekommen soll, weil es bewiesen hat dass es leicht zu domptieren ist. Für Tamara ist das alles ganz "normal" - freilich braucht sie das Koks um sich besser zu fühlen. Wie es wohl auch Ulrich Seidl mit Import Export versucht hat klarzumachen: Es es ist wahrlich kein Wunder, dass es immer die pragmatischen Habenichtse aus dem Osten trifft - deren Erwartungshaltung ist niedrig genug, um Missbrauch durch machtgeile Einheimische zu erlauben.
Zu Robert und Alex den beiden jungen Alpha-Tieren - wenn mal niemand zuschauen kann, da winden sich die zwei, von Krämpfen geplagt. Jeder hält fast neurotisch ein Foto von Tamara unter Verschluss. In einer Art seelischen Selbstverstümmelungsaktion, erinnern sich die beiden ganz alleine an die Konsequenzen ihrer individuellen Entscheidungen.
Kein Oscar für Subtilität.
Spielmann ging bei den Academy Awards 2009 leer aus, was trotz der Qualität von Revanche nicht überrascht. Die Ehrlichkeit des Films findet sich in seinem Dokumentarfilmcharakter und der Einfachheit der Sprache. Beides Elemente, die in der Übersetzung zwangsläufig verloren gehen. Außerdem hat der Film im Gegensatz zu Stean Ruzowitzky's Die Fälscher keine relativierende Sicht für die chronische Sucht nach Geldvervielfältigung zu bieten - ein Thema das gerade jetzt natürlich stärkeren Widerhall findet. Österreich scheint für Hollywood einfach zu klein für soviel Komplexität zu sein.
Diesen Film jedoch im Kontext des eigenen Heimatbilds zu sehen, ist natürlich nur ein Weg sich dem Stoff zu nähern. Aber es fällt einem halt auch nicht schwer, ist Revanche doch so spannend, schattig und echt - und beim Sex werden die Tennissocken angelassen. Für Hollywood-Romantik braucht man wohl auch die richtigen Temperaturen.
Schauen sie sich das an - es soll Ihr Schaden nicht sein!
Update: Link zum Trailer
Meine Wertung: |
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