Review< Zurück 14.06.2010

Das Bildnis des Dorian Gray

Von Max Werschitz

Schön schaurig, aber bitte mit Stil: die neueste Verfilmung von Oscar Wildes unsterblichem Meisterwerk rund um einen scheinbar unsterblichen Schönling mag etwas einseitig sein, aber das mit Bravour.

Die Handlung des einzigen Romans von Oscar Wilde dürfte den meisten bekannt sein: der anfangs harmlos-naive Dorian Gray (Ben Barnes) gerät im London der 1890er in die vor zynischem Hedonismus nur so triefenden Finger von Lord Henry Wotton (Colin Firth mal als Ungustl statt romantischer Tollpatsch). Dieser überzeugt ihn umgehend dass nur zwei Dinge wirklich von Wert sind - Jugend und Schönheit. Dass Dorian beides im Überfluss hat wird ihm vor allem vom ebenso genialen wie gutmütigen Maler Basil Hallward (Ben Chaplin), der ihn offen vergöttert, ständig bestätigt. Dass beides jedoch unweigerlich vergänglich ist wird Dorian umgehend von Basils Meisterwerk - Dorians Portrait - vor Augen geführt. In einem verzweifelten Moment schwört Dorian alles dafür zu geben wenn sein Portrait statt ihm altern würde.

Und siehe da, dieser veritable Pakt mit dem Teufel funktioniert, wie Dorian bald etwas entsetzt feststellt. Unter Henrys ständigen Einflüsterungen, die ihm gleich zu Beginn seine erste große Liebe und damit seine letzte Unschuld kosten, stürzt er sich in immer monströsere Eskapaden voller Sex, Drogen und sogar Mord. Fast 20 Jahre ziehen ins Land, und Dorian während dieser Jahre durch unzählige Länder. Bei seiner Rückkehr nach London ist sein Ruf praktisch ruiniert und sein Körper sollte es eigentlich auch sein, aber Dorian erstrahlt weiterhin im arroganten Glanz ewiger Jugend. Sein Portrait wiederum, das er vorsorglich am Dachboden seiner Villa eingeschlossen hatte, zeigt ein ganz anderes Bild. Die immer gräßlicher werdende Fratze verfolgt Dorian bis in seine Träume, und plagt sein immer schlechter werdendes Gewissen. Dorian beginnt zu bereuen -  doch es hat den Anschein dass es dafür bereits zu spät ist…

The Picture of Dorian Gray, das Buch mit dem Oscar Wilde im Jahre 1890 bei selbsternannten Moralhütern - und damals waren die wirklich noch in der Überzahl - gehöriges Aufsehen erregte, ist eine komplexe Angelegenheit. Einerseits ist es, nicht nur durch das berühmte (wenn auch in der zweiten Ausgabe praktisch erzwungene) Vorwort, eine Ode an die reine Kunst abseits der Zwänge von Pflicht und Moral. Es ist ein Spiegel der einer oberflächlichen Gesellschaft - ursprünglich viktorianisch, im Endeffekt jedoch zeitlos - unbarmherzig vorgehalten wird. Es ist, wie Wilde selbst sagte, ein Ausdruck seiner selbst ("Basil Hallward is what I think I am, Lord Henry is what the world thinks me, Dorian is what I would like to be—in other ages, perhaps") - und wohl die Quelle der meisten bekannten Oscar Wilde-Zitate.

Andererseits ist es aber auch ein Werk der damals in England sehr beliebten "gothic horror fiction" (vgl. z.B. Frankenstein und Jekyll & Hyde), und diesen Aspekt, man könnte sagen dieses schlummernde Potential, erkannte Regisseur Oliver Parker eindeutig. Zwar ist das erste Viertel des Filmes noch ein scheinbar harmloses Sittenbild verwöhnter Adeliger, bald entpuppt er sich jedoch als das was er im Kern ist: ein Hochgland-Horrorstreifen. Das mag im Schatten von Oscar Wildes notorischer Tiefgründigkeit etwas einseitig sein, funktioniert jedoch ganz wunderbar. So wurde unter anderem aus dem im Roman für unsere heutigen Verhältnisse eher zahm vor sich hin alternden Portrait in Parkers Filmwelt ein fast lebendiges, monsterhaftes Etwas, ganz so als wäre es ein weiterer Charakter der Geschichte. Doch auch die moralisch-philosophische Botschaft kommt nicht ganz zu kurz, und das vor allem durch die von Drehbuchautor Toby Finlay clever ersonnenen Handlungsabweichungen vom Original: nun hat Lord Henry eine Tochter, und als Dorian nach seiner Rückkehr nach London diese als neues Objekt der Begierde auserwählt wird seinem selbsternannten Ziehvater unangenehm klar was für Folgen sein böswillig manipulativer Einfluss hat.

Es gibt unzählige Verfilmungen, Theaterinszenierungen und sogar Musicaladaptionen der unsterblichen Geschichte von Das Bildnis des Dorian Gray - diese zählt eindeutig zu den gelungenen. Zwar muss man anfangs etwas Geduld haben bis sie zu ihrer wahren Form aufläuft, wird am Ende dafür jedoch mehr als belohnt. Ich empfehle sie neben allen StudentInnen die gerade für eine Fachprüfung in englischer Literatur lernen müssen :-) vor allem allen Horrorfans als charakterbildende Alternative zum unsäglichen Genre der teen slasher.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2009
  • Länge: 108 min
  • Regie: Oliver Parker
  • Drehbuch: Toby Finlay (nach dem Roman von Oscar Wilde)
  • Darsteller: Ben Barnes, Colin Firth, Rebecca Hall, Ben Chaplin, Emilia Fox, Rachel Hurd-Wood
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

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