Review< Zurück 13.07.2012
Von Nick Gruber
76 ist er nun schon und kein Ende in Sicht. Woody Allen, New Yorks fleißigster Autor & Sozialdramateur. Die heute in den Kinos anlaufende Doku wirft ein Licht auf den größten Sesselkleber im Berufstand der Hauptsitzlosen.
'Ich hab kein Facebook auf meiner Olympus.'
Er gilt als scheu, brilliant, normal, abnormal, neurotisch, als leichter Hypochonder, er trägt sein Herz am Ärmel (er umarmt sehr gern) – und ja, lustig ist er auch. Woody Allen wurde im New York der 40er groß, war ein mieser Schüler aber schaffte es schon mit 17 als Autor für Standup Comedians Fuß zu fassen. In den folgenden 60 Jahren war er jeden einzelnen Tag in einer Art Berufsverhältnis. Meist vor seiner Olympus Schreibkanone auf dem schmalen Sekretär. Die Bühne eroberte er in seinen Zwanzigern – stets von kalten Füßen und nervösem Brechreiz geplagt. Schwer vorstellbar angesichts seiner gewaltigen Impro-Qualitäten die ihn authenisch amüsiert wirken ließen. Trotzdem zieht sich der ironische Blick auf seinen eigenen Weltschmerz wie ein roter Faden durch seine ganze Laufbahn. Das sprichwörtliche Ärgernis über die eigene Sterblichkeit prägt die Weltsicht des jungen Allen schon von Beginn an: "Wir leben alle im Wissen dass wir in einer Art Rauchschwade enden werden – die selbe Wahrheit die jeder kennt. Die Frage ist nur wie man die dann verzerrt damit man noch Spaß haben kann."
Es hieß, man könne Woody Allen nur in Superlativen beschreiben (z.B. als fürchterlichster Sänger aller Zeiten). Die Brutstätte für seine Arbeit war natürlich New York – das für ihn die entsprechende Superromantik ausstrahlte. Deshalb kam für ihn auch nie in Frage New York anders als durch seine rosa Brille zu zeigen. "Das Beste an meiner Arbeit, wird man irgendwann sagen, waren die wunderbaren Bildhintergründe." Und zum Glück gibt es jetzt eine richtig gute Zusammenfassung zu sehen.
Die eigentlich als TV-Zweiteiler angelegte Dokumentation von Robert B. Weide bietet in seiner 80 Minuten kürzeren Kinoversion einen zu wunderbarer Unterhaltung komprimierten Blick auf ein Leben voller Highlights. Die Liste der 'Talking Heads' liest sich wie ein Who-is-Who des amerikanischen Kino-Stardom: Martin Scorsese, Diane Keaton, Antonio Banderas, Josh Brolin, Mariel Hemingway, Scarlet Johannson, Sean Penn, Naomi Watts, Chris Rock,... Freilich könnte man dem Film vorhalten, dass sich die Lobgesänge überschlagen bis der scheue Schwarzweiß-Nerd schließlich zu einem goldenen Gott der Unterhaltung transformiert. In ein liebenswert fehlerfreies Anti-Arschloch. Ein grenzdepressiver Freizeitphilosoph mit dem Fluch dem Tod als Clown entgegenzutreten.
Alles egal - wer ihn kennt, mag ihn auch. Wer ihn besser kennt, der mag ihn mehr. Den Sozialkritiker, den Schauspieler, den Autor der sich als Filmemacher versucht. Die Ikone die sich selbst erschuf und eine lebenswichtiges Organ der Popkultur wurde.
Meine Wertung: |
|
Bei uns müssen Cineasten nicht fasten! Hier erwartet euch Filmkritik wie man sie sonst nirgends lesen kann. Rede- und pressefrei liefern euch die kleinen Kinomos unregelmäßig aber unangepasst Reviews, Previews, Feature-Mos und ein dreistes Etwas zu einem ausgewählten kulturellen Spezialbock, der irgendwo auf der Welt geschossen wurde.
Impressum:
'Der dreiste kleine Kinomo' ist die non-profit Blogging-Plattform des Dreistil Filmverein (Graz, ZVR 262411928).