Die dreiste Glosse< Zurück 14.08.2012
Von Max Werschitz
Es gibt wohl kaum jemanden der ihn nicht kennt: 'Alien', jener Kultfilm aus dem Jahre 1979 der das SciFi/Horror-Genre neu definierte und dem damals noch weitgehend unbekannten Regisseur Ridley Scott zu verdientem Ruhm verhalf. 33 Jahre und 3 (von anderen Teams umgesetzte) Sequels später kehrt der Meister nun zu seinem Klassiker zurück und versucht sich an einem Prequel. Na das kann ja nur gutgehen – Star Wars, anyone?
Ene, mene, mu, und raus bist du.
Mit der üblichen Handlungsbeschreibung will ich euch hier nicht langweilen – wer ihn noch nicht kennt möge sich einfach den Trailer (runterscrollen zum Ende des Artikels) ansehen. Viel interessanter und leider auch ergiebiger ist es sich auf die Probleme des Films zu stürzen. Und diese sind auch gleich in den beiden Königskategorien versammelt: Hauptcharaktere und Handlung.
Prometheus hat, über den Daumen gepeilt, acht ProtagonistInnen, leider sind nur zwei davon wirklich interessant: Elizabeth Shaw und David (Noomi Rapace und Michael Fassbender, beide herrvorragend). Und das hätte auch völlig ausgereicht. Eine intelligente, sensible und bei Bedarf trotzdem knallharte Frau die nicht nur Archäologin, sondern auch gläubig ist? Großartig! Ein Android mit einer gehörigen Portion an Vaterkomplexen, aber scheinbar gänzlich ohne Skrupel? Fantastisch! Leider gönnt das Drehbuch beiden nicht die Aufmerksamkeit und Tiefe die sie ultimativ verdient hätten. Stattdessen müssen wir ZuseherInnen all die anderen ertragen – so klischeehaft, dumm oder einfach überflüssig sie auch sein mögen. Da wäre zum Beispiel der pragmatische Ex-Militär der ausser Fliegen und Flachlegen nicht viel im Kopf hat. Oder der Biologe der beim Anblick eines seit Jahrhunderten toten Aliens Reißaus nimmt, wenig später aber völlig unreflektiert einen mutierten Killerwurm antatscht. Oder der Pseudopunk-Geologe der sich trotz modernster Technik in einer Höhle verläuft. Oder Charlize Theron. Wieso war die bitte im Film? Ihren Charakter hätte man ersatzlos streichen können, es wäre wohl niemandem aufgefallen. Auch der Finanzier der Expedition, gespielt von einem auf 150 geschminkten Guy Pearce (WTF?), wirkte im Endeffekt eher deplatziert und wäre wohl besser als enigmatische Figur im holografischen Hintergrund geblieben.
Genau das gleiche Manko peinigt die Handlung (und wiederum die ZuseherInnen). Die Ideen wären ja da, aber es sind einfach zu viele, was den wirklich ausbaufähigen nicht genügend Platz lässt. Prometheus behandelt unter anderem ein wichtiges Thema, sogar elegant auf parallelen Ebenen verarbeitet: Menschen suchen nach einer Möglichkeit ihrem Schöpfer gegenüberzutreten; ein Android sucht nach einer Möglichkeit sich in den Augen seines Schöpfers zu beweisen. Schon recht früh wird dabei eine fundamentale Frage aufgeworfen und auch ausgesprochen: was wenn dieser Schöpfer gar keinen tiefsinnigen Grund für seine Kreation hatte, wenn er es nur tat "weil er es eben konnte"? Was soll man ihn dann fragen, warum sollte man ihm dann gefallen wollen? Was bedeutet Schöpfung, was bedeutet Wissenschaft dann überhaupt noch? Doch anstatt sich auf diese vielversprechend düstere, dem Original Alien ebenbürtige Prämisse zu konzentrieren schlägt Drehbuchautor Damon Lindelof (ich sage nur: Lost) in alle möglichen Richtungen aus und wirbelt dabei, verpackt in allerlei unnötige Actionszenen, Fragen auf die er nicht beantworten kann (oder erst in einem Sequel beantworten will). Das Frustrierende dabei: es gibt für viele dieser (siehe u.a. das geniale Video von Red Letter Media) nicht einmal subtile Hinweise auf Lösungsmöglichkeiten, was wiederum im eklatanten Gegensatz zu der unerträglichen Redundanz anderer Handlungselemente steht. Letzteres geht schon ganz zu Beginn des Films los: die unbestritten coole Anfangssequenz ist ein völlig unnötiges Setup das sofort Dinge klarstellt die man lieber selbst im Verlauf des Films (mit)entdeckt hätte. Und die Krönung ist dann die Endsequenz, bei der natürlich noch ein Alien wie wir es kennen auftauchen muss damit auch – obwohl es schon lange klar war – wirklich jede/r kapiert wie die Dinger entstanden sind. Captain Spoiler meets Captain Obvious, und eine ganze Truppe von Seargents What-The-Fuck-Is-Going-On muss hilflos dabei zusehen.
Alien hatte zwei Hauptcharaktere: Ellen Ripley und, ja genau, das Alien. Es war ein geradliniger, aber trotzdem unglaublich spannender SciFi-Horrorfilm. Prometheus hat(te) Potential aber ist ein verunglücktes Sammelsurium aus ProtagonistInnen, plot points und Philosophie das sich einfach nicht entscheiden kann wohin mit Filmbudget und Laufzeit. Und immer wenn mir so etwas unterkommt denke ich mir eines: schade dass es in Hollywood kein peer review System gibt wie es in der akademischen Welt üblich ist. Liebe Regisseure, lasst doch bitte einfach jemanden anderen über das Drehbuch drüberschauen bevor ihr in Produktion geht! (Wenn ich jetzt sage am besten wäre das immer Joss Whedon muss ich mich wohl wieder als Fanboy beschimpfen lassen. Aber es ist etwas Wahres dran – Whedon hat übrigens Alien 4 geschrieben, im Vergleich zu Prometheus ein handwerkliches Gustostückerl). Ernsthaft: ein Projekt dieser Ausmaße, das jede/r KinobesucherIn mit einem IQ knapp über jenem von Forrest Gump sofort zerlegen kann, darf einfach nicht passieren.
Versteht mich nicht falsch, ich bereue es nicht ihn gesehen zu haben. Wenn der Film auch an dermaßen vielen Stellen versagt, es ist immer noch ein passabler Science Fiction-Streifen – wenigstens hat Ridley Scott Talent für die Kreation der dafür nötigen (vor allem visuellen) Atmosphäre. Was ich, sozusagen stellvertretend für alle die jemals an der Alien-Franchise (emotional) beteiligt waren, bereue sind die vielen vergebenen Chancen. Oder vielleicht haben Lindelof, Scott und co die ganze Prometheus-Metaphorik aus der griechischen Mythologie einfach zu ernst genommen: der arme Kerl musste am Ende schließlich auch recht viel leiden.
Meine Wertung: |
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