Die dreiste Glosse< Zurück 13.11.2012
Von Max Werschitz
"This is the end. Hold your breath and count to ten…" schallt es uns entgegen nachdem wir zusehen mussten wie James Bond von einer Kugel getroffen von einer Brücke stürzt. Die Mission: gescheitert. Der Sturz: ein Fall vom Heldenhimmel. Ein Skyfall? Ja und nein. Das Ende am Anfang ist nur ein Vorbote des Anfangs am Ende.
Das Lächeln täuscht.
Bond (Daniel Craig) überlebt, taucht jedoch ab und gilt für den britischen Geheimdienst als "missing, presumably killed". Nicht nur sein Verschwinden, auch sein Versagen hat gravierende Folgen – eine Festplatte mit den Identitäten aller Undercover-Agenten der NATO wurde gestohlen. Das ist erst mal unangenehm für M (Judi Dench), die daraufhin ins politische Visier des zuständigen Sicherheitsrats-Vorsitzenden Gareth Mallory (Ralph Fiennes) gerät, doch bald tödlich für die betroffenen Agenten: irgend jemand sprengt das halbe MI6-Büro in die Luft, hackt sich in Ms Computer, dekodiert die Daten, und veröffentlicht die ersten fünf Namen, zusammen mit der Drohung dass jede Woche weitere fünf folgen werden.
Und so kehrt 007 aus seinem selbstgewählten vorzeitigen Ruhestand zurück um dem sich gerade im Untergrund Londons neu formierten MI6 (mit Jungspund Ben Whishaw als Q) unter die Arme zu greifen. Die Suche nach dem Drahtzieher führt über den Auftragskiller Patrice (Ola Rapace) und die hinreißende Sévérine (Bérénice Marlohe) schließlich zu Raoul Silva (Javier Bardem). Der begnadete Cyber-Terrorist mit reichlich Hang zur Theatralik ist ein ehemaliger MI6-Agent der mit M noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Und Bond wird bei deren Aufeinandertreffen nicht nur mit Silvas, sondern auch seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert.
Nach dem großartigen Casino Royale (2006) und dem inhaltlich nahtlos anschließenden, qualitativ jedoch nicht ebenbürtigen Quantum of Solace (2008) hätte man eigentlich erwarten können dass die origin story des "neuen" Bond abgeschlossen ist. Blickt 007 also mutig in die Zukunft? Nein. In schweren Zeiten, so heißt es, macht man für jeden Schritt nach vorne zwei Schritte zurück; das Team rund um Regisseur Sam Mendes (American Beauty, Jarhead) entschied sich gleich für fünfzig. Die James Bond-Filmreihe feiert heuer ihr 50jähriges Bestehen, und es ist überdeutlich dass Skyfall eine Hommage an dieses Jubiläum ist. Eine äußerst gelungene Hommage, und insgesamt ein narrativ solider und visuell sogar hervorragender Film, der nicht nur für Fans des berühmtesten Geheimagenten aller Zeiten unglaublich befriedigend ist.
Und dennoch – in meinen Augen tragen die Stärken des Films auch seine Schwächen in sich. Oder sagen wir es so: ich finde es bezeichnend (und ein wenig bedenklich) wie gut er funktioniert, und vor allem wie gut er in unsere Zeit passt. Skyfall ist ein Jubiläums-Bond, ja; aber ebenso ist er ein Krisen-Bond. Wir sind inzwischen im fünften Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise, und mir scheint dass sich rundum ein neues Biedermeier breit macht (wenn wir jetzt mal die lauten, aber wenigen Occupy-Aktivisten außer Acht lassen). Die Weltordnung gerät ins Wanken, und wir sehnen uns nach der guten alten Zeit. Und genau diese Sehnsüchte bedient Skyfall mit einer nicht sehr subtilen, aber äußerst charmanten Retro-Breitseite.
Okay, der Bösewicht ist ein "moderner" Terrorist der Computer hacken kann, und der neue Q ein zeitgeistiger Nerd; aber so richtig neu ist das inzwischen auch nicht mehr, und die Botschaft am Ende des Films ist eindeutig: Hardware geht über Software, Blei über Silikon, und so darf 007 im Finale mit Schrotflinte und Messer bewaffnet einen High Noon-Showdown in den einsamen Weiten Schottlands abziehen. Zu denen er natürlich in einem museumsreifen Aston Martin gelangt ist. Und auch zuhause beim MI6 ist schließlich wieder alles im und beim Alten: das Hauptquartier siedelt in ehemalige Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg, an der Führungsspitze ist ein Mann, und, ja tatsächlich, Moneypenny ist wieder da. Back to the roots also, auf allen Ebenen: Bond kehrt zu den Stätten seiner Jugend zurück, und die Franchise zu ihren alten Tugenden.
Doch wie gesagt, es funktioniert. Skyfall hat seine Längen und auch einige plot holes auf dem Weg, doch er beeindruckt und macht Spaß, und lässt trotz aller visuellen Bombastik auch die menschliche Komponente nicht zu kurz kommen. Hier ist es vor allem die Dynamik des Gespanns Bond, M und Silva die die Charaktere so richtig zum Leben erweckt und den drei SchauspielerInnen Gelegenheit zu Glänzen gibt.
Daniel Craigs 3. Bond schließt elegant den Kreis seiner Vorgänger und bringt seine hoffentlich bald folgende Nr. 4 in eine paradoxerweise alte neue Position. Nur eine Frage bleibt offen: wird das ein Startvorteil oder eine Sackgasse?
Meine Wertung: |
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