Review< Zurück 09.05.2009

Trek is back

Von Max Werschitz

Ein Versuch den neuen Star Trek Film zu analysieren (fast) ohne irgend etwas von der Handlung preiszugeben.

Fangen wir am besten beim Ende an.

Der Verlust ist hoch, aber die Gefahr ist gebannt. Die altbekannte und doch irgendwie neue Crew ist auf dem Schiff versammelt, jeder an seinem Platz. Das gänsehauterregende "Space: the final frontier..." ertönt, und die Enterprise geht auf Warp, ihrer "continuing mission" entgegen. Die Titelmelodie der originalen Star Trek-Serie begleitet den ersten Teil des Abspanns, in dem neben Cast- und Crewnamen diverse Sterne und Planeten auf der Leinwand herumzischen. Und ich sitze in meinem Kinosessel und denke mir auf einen Schlag: Das ist kein Abspann, das ist ein Vorspann. Der Vorspann für eine neue Star Trek Serie. Und was ich gerade gesehen habe war ein großartiger Pilotfilm.

 

Eine Handlung wie ein leicht angeschlagenes Raumschiff: es schlingert vielleicht ein wenig, aber bringt alle dorthin wo sie hinsollen

Die beiden Drehbuchautoren Roberto Orci und Alex Kurtzman, nach eigener Angabe waschechte Star Trek Fans, haben mit der von ihnen etwickelten Filmhandlung zwei Aufgaben unbestreitbar gut bewerkstelligt:

Erstens: die narratologische (Neu)einführung der sieben Hauptcharaktere (Kirk, Spock, McCoy, Uhura, Sulu, Scotty und Chekov). Jeder der Protagonisten wird nicht nur in einer liebevoll ausbalancierten Mischung aus das Altbekannte bewahrend und zeitgemäß Neues erlaubend vorgestellt, jeder bekommt im Film auch einen Teil der handlungstragenden Action und darf, sozusagen, mal so richtig zeigen was er kann. Wobei das Hauptaugenmerk natürlich auf Kirk und Spock liegt; so wie (der großartige) Star Trek: First Contact ein Picard/Data-Film war, so ist der neue Star Trek im Grunde genommen zuerst einmal ein Kirk/Spock-Film.

Zweitens: das Etablieren eines neuen Settings, einer - sogar fast wörtlich im Film selbst zitiert - "leicht alternativen Star Trek-'timeline' ", die nicht nur frischen Wind für dieses neue Abenteuer ermöglicht hat, sondern es auch erlaubt in den nächsten Filmen in neue Welten vorzudringen ohne jedoch die bewährten komplett links liegen zu lassen.

Genau diese zwei Dinge waren, so nehme ich an, auch Orcis und Kurtzmans primären Ziele. Und darum ist es in meinen Augen auch verständlich und verzeihbar warum die restlichen Elemente der Handlung, vor allem die Hintergrundgeschichte rund um den (durchaus tragischen) romulanischen Bösewicht Nero (Eric Bana) und den guten alten Botschafter Spock (Leonard Nimoy) aus der Zukunft, etwas unausgereift daherkommt. (Ich persönlich hätte ja am liebsten Kaliber wie Joss Whedon und/oder Ronald D. Moore über die letzte Drehbuchfassung drübergehen lassen). Aber es war eben schnell klar dass diese Elemente und Charaktere hauptsächlich die Funktion eines Katalysators für den "reboot" von Star Trek haben, sie sind nur ein Vehikel auf dem der Rest der Crew und Handlung etwas wackelig dorthin gebracht werden wo sie am Ende eben sein müssen. Und den alten Spock nocheinmal auf der Kinoleinwand zu sehen war es eindeutig wert.

 

Eine Crew wie die Tribbles: man will sie gar nicht mehr hergeben, nur vermehren sollten sie sich nicht mehr

Einen Volltreffer landete Produzent und Regisseur J.J. Abrams bei der Besetzung. Vor allem Zachary Quinto (Spock), Chris Pine (Kirk) und Karl Urban (McCoy) überzeugen restlos; ich kann mir jetzt schon nicht mehr vorstellen wie man jemals jemand anderen in diesen Rollen hätte casten können. Zoe Saldana (Uhura) ist ebenso ein sympathisch-erfrischender Lichtblick wie Simon Pegg (Scotty). Anton Yelchin (Chekov) und John Cho (Sulu) zeigen ebenfalls großes Potential. Was letzteren betrifft, so fand ich vor allem amüsant dass seine Vorliebe fürs Fechten (eindrucksvoll etabliert in der Star Trek-Original-Episode "The Naked Time") wiederaufgenommen wurde, nur darf er jetzt statt eines Degens ein futuristisches Katana schwingen. Bei Chekov wurde zwar ein Teil seiner Präsenz mit eher billigem "Ich habe einen lustigen Akzent"-Humor verblasen (na gut, gelacht hab ich auch), dafür durfte er gegen Ende des Films fast schon als klassisches Wunderkind brillieren.

Eines wird jedoch, wie es bei Filmen im Gegensatz zu Fernsehserien aus Zeitmangel eben so ist, auch schnell klar: sieben Kern-Protagonisten ebenso fair wie gebührlich zu bedienen ist schwer, vor allem wenn dann noch Bösewichte und sonstige handlungsentscheidende Nebencharaktere dazukommen. Orci und Kurtzman leisteten diesbezüglich wirklich Beachtliches, Sulu und vor allem Chekov kamen jedoch fast etwas zu kurz. Ich bin gespannt ob das in den nächsten Filmen ausbalanciert wird.

 

Ein Film wie... ein Star Trek Film sein kann und soll

"It's not your father's Star Trek", so hieß es vollmundig in einem amerikanischen TV-Werbespot, und das hat sich bewahrheitet. J.J. Abrams' "reboot" von Star Trek ist mit diesem Film eindeutig geglückt. Es sind 126 opulente Minuten die zwar nie so richtig nervenzerfetzend spannend werden, aber auch garantiert nie langweilig. Es sind gute zwei Stunden Film bei denen ich vermutlich mehr gelacht habe als bei allen vorigen Star Trek Filmen zusammen, und bei denen auch mehr Action und kinnladenrunterklappende Special Effects zu sehen waren. Es ist ein Kinobesuch den man, ausser man hasst Science Fiction abgrundtief, sicher nicht bereuen wird. Die leichten inhaltlichen Schwächen (ich sage nur: Eisplanet) auf die sich viele Kritiker und durchaus auch Fans stürzen sind im Schatten der vielen gut ausbalancierten Stärken wirklich zu verzeihen.

Zum Schluss vielleicht noch eines von vielen erwähnenswerten  Details: wenn ihr den Film anschaut, achtet auf den Schluss der Szene in der Spock vor dem Hohen Rat der Vulkanischen Akademie der Wissenschaften steht und seinen Beitritt ablehnt. Ich sage nur: wer hätte gedacht dass man mit dem legendären höflichen "Live long and prosper" auch auf so elegante Weise "Go fuck yourselves" sagen kann.

Und a propos "lebe lange und in Frieden": beenden möchte ich diese Review mit dem wunderbaren letzten Satz des alten zeitgereisten Botschafters Spock zu seinem jungen Ebenbild:

"Since my customary farewell would seem oddly self-serving, I will simply say: Good Luck".

Good luck indeed. Auch wenn sie es, nach diesem durchaus gelungenen Erstling zu urteilen, eigentlich nicht brauchen: Viel Glück wünsche ich der Crew der Enterprise in den hoffentlich vielen nun folgenden Star Trek Filmen.

 

Meine Wertung:
4 Kinomos