Review< Zurück 29.03.2010
Von Christa Binder
Wie weit gehst du für deine große Liebe?
- Welcome erzählt zwei Liebesgeschichten, die sich an der absurden Ordnung dieser Welt stoßen und verletzen.
Bilal (Firat Ayverdi), ein 17-jähriger Kurde aus dem Irak, hat bereits einen drei-monatigen Fußmarsch von Mosul bis nach Calais hinter sich, um von dort illegal nach England zu flüchten, wohin seine große Liebe Mîna (Derya Ayverdi) kurze Zeit zuvor mit ihrer Familie emigriert ist.
Nur der Ärmelkanal trennt ihn von ihr und er setzt alles daran, Mîna rechtzeitig vor ihrer arrangierten Heirat mit ihrem Cousin zu retten.
Im städtischen Hallenbad lernt er den ehemaligen Schwimmprofi Simon (Vincent Lindon) kennen, der ihn im Kraulen unterrichtet und unter seine Fittiche nimmt. Zunächst in der Hoffnung, dadurch seine Ex-Frau Marion (Audrey Dana), die er immer noch liebt, zurückzugewinnen, rührt ihn die Geschichte Bilals und er wird zu dessen väterlichem Freund.
4000 Kilometer nur um sie zu sehen - und jetzt will er den Kanal durchschwimmen. Als du mich verlassen hast, habe ich nicht einmal die Straße überquert um dich aufzuhalten!" (Zitat Simon an Marion)
Simon gerät dadurch selbst in Konflikt mit dem Gesetz, welches strengstens untersagt, illegalen Flüchtlingen - auf welche Weise auch immer - zu helfen und mit Strafen bis zu 5 Jahren Haft droht.
Philippe Lioret, dem Regisseur dieses einzigartigen Filmes, ist es gelungen, auf sehr sensible und unaufdringliche Weise die Migranten-Problematik vor dem Hintergrund einer wachsenden Freundschaft zweier unterschiedlicher Menschen aufzuzeigen, die um die bedrohte Liebe zu zwei Frauen kämpfen.
„Es sind zwei Liebesgeschichten, die sich an der absurden Ordnung dieser Welt stoßen und verletzen.“ (Philippe Lioret)
Der Film sorgte in Frankreich für großes Aufsehen und heftige Diskussionen, nachdem Lioret in einem Gespräch meinte: „Dass ein tapferer Mann auf einmal verhaftet werden kann, das ist verrückt. Ich habe den Eindruck, wir befinden uns im Jahr 1943 und wir haben einen Juden im Keller versteckt.“
Darauf wiederum reagierte Eric Besson, seit kurzem Minister für Einwanderung und nationale Identität, entrüstet, da man illegale Einwanderer doch nicht mit Juden gleichsetzen könne, die während der deutschen Besatzung verfolgt wurden.
Tatsächlich existiert in Frankreich allerdings seit 1945 ein Gesetz, das für Flüchtlingshelfer enorme Strafen vorsieht, wobei nicht zwischen Menschenhändlern bzw. Schleusern und freiwilligen Helfern, die aus Nächstenliebe agieren, unterschieden wird.
Auch wenn Lioret Welcome nicht rein politisch sehen möchte, sondern vorwiegend als einen emotionalen Film, hofft er nun, wenigstens zur Abschaffung des Gesetzes aus dem Jahr 1945 beitragen zu können.
„Hinter jedem großen Film befindet sich auch eine große Dokumentation. Es sollte ein Film werden, aus dem man geht und etwas erfahren hat, ohne dass es didaktisch war.“
Und das hat der Film auf jeden Fall geschafft! Er berührt, erweckt Emotionen und regt zum Nachdenken an. Ein Pflichtprogramm, das jeder Schulklasse hierzulande gezeigt werden sollte!
Hervorzuheben sind auch die schauspielerischen Leistungen, allen voran Vincent Lindons, der sehr charismatisch den Wandel eines alternden und resignierenden Sportprofis zum engagierten „Menschenfreund“ mimt und somit schließlich wieder einen Sinn in seinem Leben findet. Auch Firat Ayverdi spielt seine Rolle überaus authentisch und sehr kraftvoll - und das ohne jegliche schauspielerische Vorkenntnis. Sein Wille und die Hoffnung treiben ihn voran, er gibt nie auf, auch wenn er oft genug Grund dazu hätte.
Verdienter Weise bekam Welcome, neben zahlreichen anderen Auszeichnungen, den Lux Filmpreis des Europäischen Parlaments 2009 sowie den Ökumenischen Preis der 59. Berlinale, auch wenn – oder gerade weil – er zu Tränen rührt!
Meine Wertung: |
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Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!