Review< Zurück 23.03.2011
Von Max Werschitz
Wer kennt das nicht: es klingelt an der Tür, und davor steht nicht der sehnsüchtig erwartete paketschleppende Postler, sondern ein formularbewaffneter Spendenkeiler, das Lächeln und den Kugelschreiber schon zum Eintragen der Kontonummer gezückt. Stefan Ludwig mag das Wort "Keiler" gar nicht, und hat eine Gruppe dieser einen Sommer lang mit der Kamera begleitet.
Der Alltag eines sommerjobbenden Spendensammlers ist hart: mehrere Wochen lang bei jedem Wetter bis zu 10 Stunden pro Tag von Tür zu Tür gehen, und diese in den meisten Fällen schon nach den ersten Worten ins Gesicht geschlagen zu bekommen. Trotzdem immer freundlich zu bleiben, mit Leuten aller couleur ins Gespräch zu kommen, alles mit dem Ziel so viele neue unterstützende Mitglieder wie möglich zusammenzubekommen – oder wie es im Fachjargon heißt: "Einheiten" zu "schreiben". Das Ganze am besten noch so überzeugend dass sie, oder vielmehr ihre Bankkonten, auch mehrere Jahre lang der Organisation treu bleiben.
Im Falle von Stefan Ludwigs Dokumentarfilm ist diese der Malteser Hilfsdienst, die Türen sind irgendwo in der bayrischen Provinz, und die Spendensammler eine Gruppe von sieben jungen Österreichern, zwei Deutschen und einer Ungarin. Bezahlt wird nach Leistung, und schon bei der Vorbesprechung in der von den Maltesern engagierten Agentur erfahren sie dass durchschnittlich ein Drittel der Neulinge bereits nach einer Woche aufgibt.
So auch in der Gruppe rund um den Kärntner Stefano Biber, doch der erfahrene Teamleader verliert nie das sonnengebräunte Selbstvertrauen, und motiviert die verbleibenden Schützlinge jeden Tag aufs Neue. Ebenfalls fast täglich wird die erbrachte Leistung evaluiert, Feedback eingeholt und Tipps ausgetauscht, werden Gesprächssituationen geübt. Die spärliche Freizeit wird für gemeinsames Kochen und Beisammensitzen, wochenends auch mal für einen Kirmes- oder Discobesuch genutzt. Übernachtet wird in einer gemeinsamen Bleibe, und so mischt sich über die Sommerwochen der köchelnde Knochenjob mit einer Portion gehackter Gruppendynamik zu einem Erlebnissüppchen das von den jungen ProtagonistInnen ganz unterschiedlich verdaut wird. Die einen erkennen schnell ihre Grenzen und sind froh wenigstens ohne finanziellen Verlust möglichst rasch aus der ganzen Sache auszusteigen. Die anderen verdienen sich die sprichwörtliche goldene Nase und wechseln im Herbst mit gesteigertem Selbstvertrauen zurück ins Privatleben.
Ein Sommer voller Türen wurde 2009 gedreht, 2010 fertiggestellt und bei diversen Filmfestivals gezeigt, und feierte heute bei der Diagonale 2011 seine Österreichpremiere. Die Idee zum Film, so erzählte der Regisseur nach der Vorführung, kam ihm während eines autofahrbedingten längeren Gesprächs mit einer langgedienten "Keilerin" (vielleicht mochte er das Wort damals noch), in der Vorbereitungsphase für die Dreharbeiten lebte er dann sogar zwei Wochen in der damaligen Gruppe von Stefano Biber, und ging für eine Woche auch selbst von Tür zu Tür.
Vertrieb gibt es noch keinen, was sich hoffentlich bald ändern wird – diese bereits vierte Doku des Bayern Stefan Ludwig, der unter anderem am Max-Reinhardt-Seminar in Wien studiert hat, ist ein ebenso informatives wie unterhaltsames, und vor allem äußerst kurzweiliges Filmvergnügen.
Meine Wertung: |
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Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!