Review< Zurück 27.07.2012

The Dark Knight Rises: ein Batman-Film ohne Batman, aber mit Schrödingers Katze

Von Max Werschitz

Selten habe ich mich so auf einen Film gefreut, und ebenso selten bin ich mit sowohl einem lachenden als auch einem weinenden Auge aus dem Kino gegangen. Nein nein, keine Sorge: 'The Dark Knight Rises' ist großartig. Umso trauriger machte es mich dass es der letzte dieser Art ist. Doch alles hat ein Ende, und besonders bei Enden zeigt Christopher Nolan seine erzählerischen Qualitäten – man denke nur an 'Inception'. Moment, da war doch was…

Auch Anarchie muss gut geplant werden.

Batman ist ein Held, keine Frage. Aber die ursprünglichen Helden dieser Geschichte sind für mich jene Leute bei Warner Brothers die 2003 beschlossen Christopher Nolan als Regisseur für Batman Begins anzuheuern. Was danach mit seiner Karriere passierte lässt sich für mich nur wie folgt beschreiben: das passiert also wenn man endlich einmal einem guten Filmemacher, und vor allem einem guten Geschichtenerzähler, so viel Geld nachschmeißt dass er machen kann was er will. Für mich ist Nolan, der eigentlich mit sehr kleinen aber feinen Filmen wie Following (1998) und Memento (2000) angefangen hatte, inzwischen synonym für intelligente Mainstreambombastik geworden. Inception ist diesbezüglich sicher sein Meisterstück, aber auch die Batman-Trilogie ist aus demselben Holz geschnitzt. Und The Dark Knight Rises bringt sie wahrlich zu einem würdigen Abschluß.

8 Jahre sind seit dem Sieg über Joker und Harvey Dents inszeniertem Heldentod vergangen. Gotham City hat das organisierte Verbrechen dank strenger Gesetze praktisch ausradiert, und Bruce Wayne (Christian Bale) sich ebenso wie sein flatterndes alter ego zur Ruhe gesetzt. In den Augen der Öffentlichkeit ist aus dem partyschmeißenden Playboy ein eremitischer Exzentriker geworden, nur sein Butler Alfred (Michael Caine) weiß den wahren Grund für seinen Rückzug: Trauer um Rachel. OK, und eine ordentliche Portion Selbstmitleid. Da hilft auch "quite lovely" Miranda Tate (Marion Cotillard) im Vorstand von Wayne Enterprises nichts.

Erst das Auftauchen des mysteriösen Bösewichts Bane (Tom Hardy) und reichlich Überzeugungsarbeit seitens Commissioner Gordon (Gary Oldman) und des Neulings Detective John Blake (Joseph Gordon-Levitt) bringen ihn dazu sich erneut in Schale zu werfen. Auf der Spur der katzengleich akrobatischen Einbrecherin Selina Kyle (Anne Hathaway) gelangt Batman schließlich zu Banes Versteck – und wird von ihm prompt vermöbelt. Körperlich und geistig gebrochen landet Bruce Wayne in genau jenem albtraumhaften Gefängnis in dem Bane, ein Mitglied der League of Shadows, angeblich aufgewachsen und dem er schließlich als einziger entkommen war. Ohnmächtig muss Wayne zusehen wie Gotham ganz nach Banes Wunsch in anarchistischem Chaos versinkt. Die Zeit tickt, und eine Bombe auch …

Ein Batman-Film ohne Batman?

Bruce Wayne ist depressivFür Action, Dramatik und Spannung (und teils auch, sogar durchaus selbstironischer, Humor) ist also durchgehend gesorgt. In einem Interview meinte Nolan dass er Bane als Hauptgegner wählte weil dieser, anders als der Joker, Batman sowohl intellektuell als auch physisch ebenbürtig sei. Und es ist genau dieser Cocktail aus körperlicher Bedrohung und kalter Berechnung der ihn zu einem würdigen Gegenpart macht, auch wenn sein großer Plan nicht gerade der originellste ist. Der Name ist jedenfalls Programm, und Tom Hardys wohlüberlegte Darstellung verleiht ihm eine geradezu magnetische körperliche und stimmliche Präsenz. Eine weitaus kleinere aber dafür auch nuanciertere (Gegner)rolle kommt Catwoman zu – falls man sie überhaupt Catwoman nennen kann. Selina Kyle ist hier eigentlich einfach das was man im Englischen als 'cat burglar' bezeichnet, und wird von Anne Hathaway mit einer gelungenen Mischung aus Verletzlichkeit und Rücksichtslosigkeit gespielt – nach Heath Ledger ein weiterer Beweis für Nolans ungewöhnliches aber scheinbar fehlerloses Händchen beim Casting.

Nach The Dark Knight hatte ich mich, wie wohl auch viele andere, gefragt: Kann man das überhaupt noch toppen? Nein, kann man nicht. Muß man aber auch nicht. Christopher Nolan setzt mit The Dark Knight Rises nicht einfach nur ein weiteres bombastisches Superhelden-Abenteuer drauf, sondern schafft es gleichzeitig die Geschichte weiter- und zu Ende zu erzählen. Die Trilogie ist beendet, der Kreis schließt sich. Mit allen Konsequenzen. Eine davon ist dass The Dark Knight Rises so etwas wie ein Batman-Film ohne Batman ist. Oder anders gesagt: es ist weniger ein Batman- als ein Bruce Wayne-Film. Natürlich bekommen wir den maskierten Helden zu sehen, aber weit seltener als in den vorangegangenen Teilen, und stark verändert. Waynes offensichtlichen psychischen Probleme und die Zögerlichkeit was die Rückkehr in ein normales Leben betrifft spiegeln sich im Verhalten seines alter egos wider, und Nolan inszeniert es auch entsprechend. Die theatralischen Stunts und schrägen Gadgets wie wir sie teils aus Batman Begins und vor allem aus The Dark Knight kennen sind Geschichte. Batman hat jetzt zwar ein Fluggerät (namens "the bat, and yes, it comes in black"), aber er selbst segelt nicht mehr publikumswirksam von Wolkenkratzern. Auch die Zweikampfszenen sind pragmatischer, ruhiger, fast altmodisch, sowohl was die Choreographie als auch die Kameraführung betrifft. Immer wieder kommt ein Gefühl auf: Bruce Wayne alias Batman macht diese Dinge weil er muss, nicht weil er will. Aber er will dass sie möglichst bald vorbei sind.

Ein Gefühl das zumindest ich nicht mit ihm teilen konnte: selten waren satte 165 Filmminuten so packend und kurzweilig (was auch die zahlreichen "plot holes" vergessen lässt). Und selten war deren Ende so raffiniert. (Achtung, ab hier sollte nur mehr weiterlesen wer den Film schon gesehen hat).

Schrödingers Katze, oder: Nolan kann's nicht lassen

Alfred macht sich Sorgen.Hand aufs Herz, dachtet ihr mit "Schrödingers Katze" meine ich Catwoman? Tue ich natürlich nicht. Lasst mich erklären. Schon während Batman mit der Bombe im Schlepptau Richtung offenes Meer flog dachte ich mir: gut gemacht, Nolan. Ein wahrer Held muss am Ende sterben (stellt euch einfach Spartacus vor, aber Spartacus überlebt. Blargh). Dann kam der Moment als Lucius Fox erfährt dass der Autopilot bereits lange zuvor von Wayne selbst repariert worden war. Mein erster Gedanke: F*ck, das wird ja immer ärger, er hat Selbstmord begangen! Mein zweiter: Hurra, dann hat er also doch überlebt. Denn dann folgte auch schon die Szene in der Alfred Bruce gemeinsam mit Selina in dem Café sieht. Da sind mir (und dazu hat wohl auch der wie immer großartige Soundtrack von Hans Zimmer beigetragen) fast die Tränen gekommen. So sehr ich auf fatalistische Film-Finale stehe, so sehr freute ich mich in dem Moment dass Wayne und Kyle es tatsächlich geschafft, dass beide ihre jeweilige "clean slate" bekommen und ein neues, lebenswerteres Leben begonnen hatten. Ich war so emotional berührt und so froh darüber dass ich mit der festen Überzeugung "Bruce Wayne lebt" das Kino verließ.

Doch am nächsten Tag rief mich ein Freund und leidenschaftlicher Batman-Fan, Keith Voss, an. Nach längerem Meinungsaustausch über den Film meinte er "By the way, I think Bruce Wayne died!" und ich fiel aus allen Wolken. Doch je länger wir darüber diskutierten desto mehr Sinn machte es. Ich habe ja bereits erwähnt dass Bruce Wayne den ganzen Film hindurch sehr zögerlich, ja fast depressiv wirkte, so als ob er eben nur seine Pflicht erfüllte – was wenn es die sprichwörtliche letzte Pflicht war? Immerhin wurde er mehrmals darauf angesprochen dass er offensichtlich keine Angst vor dem Tod hat, ja sich diesen vielleicht sogar herbeisehnt. In dem Zusammenhang wird auch einer der letzten Dialoge mit Catwoman bezeichnend: "You don't owe these people anymore. You've given them everything!" "Not everything. Not yet." Batman begeht also Selbstmord? Klingt hart. Ist jedoch theoretisch möglich. Aber es gibt noch eine zweite Variante: vielleicht hat er einfach eine logische Entscheidung getroffen. Talia rammt ihm schließlich ein Messer in die Seite, und spricht von sich selbst als der "slow blade" die langsam und geduldig tötet. Was wenn er tatsächlich tödlich verletzt war und dies spürte? Wäre es dann nicht besser mit einem – im wahrsten Sinne des Wortes – großen Knall das Weltgeschehen zu verlassen anstatt (vielleicht doch noch auf Rettung hoffend) im Krankenhaus zu sterben? Ein durchgehendes Thema war ja "Batman is not one man, Batman is an idea", und mit so einem Abgang hatte er die Gewissheit dass tatsächlich niemand diese Idee vergisst. John Blake alias Robin stand schon in den Startlöchern.

Doch wenn das so ist, wenn er wirklich tot ist, was soll dann diese Szene im Café?

Und dann fiel es mir wieder ein. Nicht nur die etwas feuchten Augen, sondern auch das sehr konkrete Gefühl das ich genau während dieser Szene im Kino hatte: whoa, Inception. Bruce und Selina traut in einem neuen Leben vereint? Dom endlich zuhause bei seinen Kindern? Beide Szenen verströmten diesselbe traumartig unwirkliche, zumindest jedoch ambivalente Stimmung.

Ist Bruce Wayne also tot? War diese Szene nur Alfreds Traum, Alfreds Wunschdenken? Oder war sie doch echt? Das muss jede/r für sich selbst entscheiden. Nur eines ist sicher: Nolan kann's anscheinend nicht lassen. Und er schafft es nicht nur uns die vermutlich besten Batman-Filme aller Zeiten zu bescheren, er schafft es auch ihn zu töten und gleichzeitig am Leben zu lassen. Bruce Wayne alias Batman alias Schrödingers Katze.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2012
  • Länge: 165 min
  • Regie: Christopher Nolan
  • Drehbuch: Jonathan & Christopher Nolan
  • Darsteller: Christian Bale, Michael Caine, Tom Hardy, Anne Hathaway, Gary Oldman, Joseph Gordon-Levitt, Marion Cotillard, Morgan Freeman
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!