Review< Zurück 25.04.2013
Von Max Werschitz
Joseph Kosinski – der Regisseur von 'Tron Legacy', Genre-Spezialist mit einschlägiger Filmerfahrung in der Computerspielbranche, und 3D-Wunderkind mit Architektur-Background – hatte bereits 2005 mit der Entwicklung von 'Oblivion' begonnen, zuerst mit dem Plan es nur als Graphic Novel herauszubringen. Ob das Schicksal es gut mit ihm meinte als Hollywood so rasch auf das Material aufmerksam wurde? Spoiler alert: ja.
Tja, da kann man schon ein bisserl nachdenklich werden.
Auf lunarscience.nasa.gov stellte am 18. September 2006 ein besorgter User die Frage "Was würde mit der Erde geschehen wenn der Mond zerstört wird?" und bekam vom damaligen Direktor des NASA Lunar Science Instituts folgende lakonische Antwort: "Ich kann mir nicht vorstellen was sie damit meinen, "der Mond zerstört". Es gibt keinen Prozess der den Mond zerstören könnte. Und wenn es einen gäbe, dann hätte die Erde das Problem dass zeitgleich das Selbe mit ihr passieren würde."
Der Mann ist eindeutig kein Science Fiction-Fan. Autor und Regisseur Joseph Kosinski schon. Und so lässt er in seinem Zweitlingswerk Oblivion erst mal genau das passieren: Außerirdische namens 'Scavengers' ("Plünderer") oder kurz 'Scavs' greifen im Jahr 2017 die Erde an, und starten das Ganze ressourcenschonenderweise mit einer (partiellen) Zerstörung des Mondes. Die dadurch verursachten Erdbeben, Tsunamis und sonstigen Unannehmlichkeiten rotten einen Großteil der Menschheit aus, und als schließlich die Invasionsarmee landet sind atomare Gegenschläge die einzige verbliebene Option. Das traurige Resultat: der Krieg ist gewonnen, der Planet verloren. Die wenigen Überlebenden ziehen sich auf die (markant tetraederförmige) Raumstation Tet zurück und bereiten die Umsiedelung auf den Saturnmond Titan vor. Auf der verwüsteten Erde verbleiben nur einige wenige Technikerteams die einen langwierigen Prozess begleiten durch den die Wasservorräte der Erde mittels riesiger schwebender Türme aufgesaugt und in Energie umgewandelt werden. Essentiell ist dabei vor allem die Wartung der herzig kugelförmigen Grantscherben, äh, Wächterdrohnen die rund um die Türme patroullieren – denn es gibt auch einige überlebende Scavs-Banden die diese immer wieder zu sabotieren versuchen.
Die eigentliche Handlung startet 60 Jahre später. Jack Harper (souverän: Tom Cruise) ist einer der Mechaniker, einer dieser letzten Menschen auf der Erde. Zusammen mit der Kommunikationsoffizierin Victoria Olsen (großartig: Andrea Riseborough) residiert er in einer Art gläsernem Penthouse hunderte Meter über der Planetenoberfläche. Seit 5 Jahren sind sie gemeinsam hier und inzwischen auch Liebhaber – oder eben "ein effizientes Team", wie es ihre einzige (Funk)verbindung zum Tet und somit zum Rest der Menschheit, Sally (Melissa Leo), gerne betont. Und in nur zwei Wochen ist ihre Mission abgeschlossen. Victoria will einfach nur ihren Job erledigen und endlich zum Titan fliegen. Doch Jack plagen immer wieder Zweifel an ihrer Situation. Und diese Zweifel werden von mysteriösen (Tag)träumen über eine junge Frau (Olga Kurylenko), die wie Erinnerungen wirken, noch verstärkt. Mysteriös sind diese aus zwei Gründen: erstens wurden Victoria und Jack aus Sicherheitsgründen vor Antritt ihrer Mission eigentlich alle Erinnerungen gelöscht. Und zweitens spielen sich die Träume zu der Zeit ab als die Erde noch nicht zerstört war – lange vor Jacks Geburt also.
Richtig seltsam wird es dann jedoch als Jack den Absturz eines Raumschiffs beobachtet und in den Trümmern eine Schlafkapsel mit eben dieser Frau findet. Und kurz darauf stellen sich auch die gefürchteten Scavs, die den Absturz verursacht haben, als etwas ganz Anderes heraus…
Oblivion hat auf rottentomatoes.com nur eine aggregierte Wertung von 57% bekommen und wird von vielen als inhaltlich flach und gleichzeitig zu derivativ kritisiert. Aber ich gebe es zu: ich habe ihn zwei Mal gesehen, und das innerhalb von nur drei Tagen. Das erste Mal in einem normalen Kino, danach nochmal im IMAX. Alleine. In der fünften Reihe. Denn bei einem sind sich fast alle Kritiker auch einig: visuell ist der Film ein Wahnsinn. Dank herausragendem Produktionsdesign, eindrucksvollen Setbauten und aufwändigen Locationdrehs (siehe z.B. diese Kurzdoku) transportiert der Film die Zuseher in eine Welt mit unbestreitbarer atmosphärischer Kraft, mit einem fast ätherischen Charme der auf einer raffiniert oszillierenden Mischung aus Verfall und Glanz basiert.
Doch was ist dran an der Kritik?
Ist Oblivion inhaltlich flach? Das ist zugegebenermaßen Ansichtssache; eines ist er jedenfalls nicht: langweilig. Zumindest die wichtigen plot twists (und die sind massiv) sieht man nicht kommen, und dazwischen kommt auch die Action (samt mitreissender Musik vom französischen Elektronikerduo M83) nicht zu kurz.
Ist Oblivion derivativ? Ja. Aber das ist meiner Minung nach nichts Schlechtes. Denn Kosinski ist eben Science Fiction-Fan, und das bin ich auch. Das Derivative des einen ist die Hommage des anderen. Kosinski gibt ganz offen zu dass er sich von einschlägigen Filmen der 60er und 70er hat inspirieren lassen (passenderweise wurde er von Warner Brothers bereits für die Remakes von Logan's Run und The Black Hole verpflichtet). Doch auch neueres Material ist dabei. Und so finden sich in Oblivion thematische Elemente aus Filmklassikern wie Planet of the Apes (1968), The Omega Man (1971) und Silent Running (1972) ebenso wie Inspiration aus dem inzwischen nostalgisch verklärten cheese fest Independence Day (1996), der unbestreitbar einflussreichen Matrix (1999), dem entzückenden Wall-E (2008) oder dem großartigen Moon (2009). Und die ironischerweise subtil menschelnden Drohnen erinnern (vor allem optisch) stark an Wheatly aus dem Computerspiel Portal 2. Was ich sagen will: ich habe dieses Sammelsurium nicht als störend empfunden, sondern mich darin wohlgefühlt. Weil die Elemente stimmig zusammengefügt und eingesetzt waren. Und sein wir uns ehrlich: ein raffiniert gemachtes Patchwork mit eigener Persönlichkeit ist immer noch ein erstaunlicher Lichtblick in einer Zeit in der es im Mainstreamkino nur mehr Fortsetzungen zu geben scheint.
So richtig interessant wird Oblivion und Kosinkis schöne neue alte Welt jedoch wenn man über wirklich alle Details der Geschichte diskutiert – was ich hier leider nicht kann, da es nicht spoilerfrei möglich ist. Nur so viel: es gibt viele clevere Einfälle und liebevolle Details; diese stehen jedoch auch einigen scheinbar offensichtlichen plot holes gegenüber. Doch je mehr ich über letztere nachgedacht hatte desto mehr kam ich auch zu einer einfachen Erkenntnis: es ist was es ist. Wenn ich mir einen Film anschaue bei dem ich u.a. die Existenz von angriffslustigen Außerirdischen als Prämisse akzeptiere muss ich mir nicht jede Kleinigkeit logisch erklären können. Schließlich bin ich Science Fiction-Fan, und nicht der Direktor des NASA Lunar Science Instituts.
Meine Wertung: |
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Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!